Introvertierte Menschen haben es im Leben nicht leicht. Oft setzen wir Introversion mit Schüchternheit, einer Charakterschwäche oder sozialer Angst gleich. Doch das sind Klischees.
Der Schweizer Psychoanalytiker Carl Gustav Jung hat die Begriffe Introversion und Extroversion im Jahr 1921 geprägt. Nach seiner Definition ist Extroversion eine Präferenz für direkte Erlebnisse mit Menschen und Dingen. Extrovertierte erleben jede Erfahrung und sind nach aussen orientiert. Sie kommen in einem aktiven sozialen Umfeld gut zurecht – der Kontakt mit anderen Menschen ist für sie eine Energiequelle und sie verlieren eher Energie, wenn sie alleine sind.
Dagegen zeigen Introvertierte eine nach innen orientierte Verhaltensweise. Das heisst, diese Personen konzentrieren sich lieber auf ihre inneren Gefühle anstatt auf das äusserliche Auftreten. Sie fokussieren sich auf die Bedeutung von den Erlebnissen um sie herum. Dadurch verarbeiten sie Informationen ausführlicher und interpretieren sie genauer. Dies bringt viele Vorteile mit sich.
Qualität vor Quantität: Laut einer Studie aus dem Jahr 2008 brauchen introvertierte Menschen länger, um Informationen zu verarbeiten. Das bedeutet nicht, dass sie per se langsamer sind, sondern sie sind gründlicher und nehmen sich mehr Zeit, um eine Idee zu verstehen, bevor sie sich der nächsten widmen.
Die überwiegende Mehrheit der Introvertierten zieht also Qualität der Quantität vor, da sie Dinge mögen, die gut funktionieren, gut durchdacht sind und einen Sinn ergeben. Sie erledigen Arbeiten lieber gleich richtig.
Konzentrationsvermögen: Introvertierte und schüchterne Menschen können sich oftmals besser konzentrierten als extrovertierte Mitmenschen. Es fällt ihnen leichter, sich Dingen zu merken, und sie haben weniger Probleme mit Fleissarbeiten. Zudem reflektieren und analysieren sie sich selbst und ihre Arbeit genauer als eine extrovertierte Persönlichkeit.
Aktives Zuhören und Beobachten: Eine weitere Stärke ist das aktive Zuhören und Beobachten. Oftmals bemerken introvertierte Menschen Dinge, die andere übersehen oder nicht beachten. Sie können auch den Gesichtsausdruck und die Körpersprache anderer besser einschätzen und wissen dadurch schneller, wie das Gegenüber denkt und fühlt. Da sie geduldig sind und mehr Verständnis und Mitgefühl für die Sorgen und Nöte anderer zeigen, sind introvertierte Persönlichkeiten auch im Freundes- und Kollegenkreis sehr beliebt.
Kreativität: Introvertierte Menschen haben viel Fantasie und sind dadurch auch kreativer. Ihre Ideen entstehen meist in stillen Momenten mit sich selbst, wodurch sie oft über sich hinauswachsen. Gute Beispiele dafür sind Bill Gates, Mark Zuckerberg oder die amerikanische Informatikerin und Managerin Marissa Mayer. Sie alle bezeichnen sich als introvertiert und haben laut ihren eigenen Aussagen dann revolutionäre Ideen, wenn sie alleine arbeiten.
Akzeptiere, dass deine Lernenden lieber auf oberflächlichen Small Talk in der Kaffeerunde verzichtet. Denn für Introvertierte gibt es kaum etwas schlimmeres als Small Talk. Für sie ist (fast) jedes Gespräch und jede soziale Interaktion ein Kraftakt. Wenn sie nicht darüber reden wollen, was sie am Wochenende gemacht haben, dann ist das so. Dafür kann man mit introvertierten Menschen stundenlange Gespräche mit Tiefgang führen.
Gib ihnen auch Zeit, um in Gesprächen zu reagieren. Gerade extrovertierte Menschen sind durch das Schweigen der Introvertierten oft verunsichert. Doch ihr Schweigen hat nichts mit Arroganz oder Dummheit zu tun, sondern sie brauchen oft einfach mehr Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen und eine wohlüberlegte Antwort zu finden. Schenke ihnen Vertrauen und lass ihnen Zeit, denn wenn sie etwas zu sagen haben, tun sie das ausdrucksstark und auf den Punkt.
Introvertierte zeigen dir einen neuen Blickwinkel. So überraschen sie dich oft mit einfallsreichen Problemlösungen, an die du selbst noch gar nicht gedacht hast.
Zusammengefasst lässt sich sagen: Introvertierte Menschen haben andere Bedürfnisse als extrovertierte und das ist gut so. Sie sind oft sehr loyal und ehrlich und machen nicht aus jeder Mücke einen Elefanten. Zudem bringen sie viele weitere Fähigkeiten und Stärken mit, die du als Berufsbildner:in im Berufsalltag gezielt einsetzen und fördern kannst.